HolgerHa
Hallo zusammen,
in verschiedensten Geräten der volkseigenen Hersteller findet man Transistoren des Typs HANxyz.
In meinem konkreten Fall handelt es sich um den Typ HAN807 der anstelle des SS106 in einem WG4 verbaut ist.
In den rk5-Endstufen finden sich HAN4092 anstelle der 2N2904 und HAN3912 anstelle der 2N2139 (die 2N-Typen sind auf der Leiterplatte aufgedruckt).
Interessant ist dabei, dass die Ziffernfolge bei den HAN-Typen genau der umgekehrten Reihenfolge der 2N-Typen entspricht.
Das scheint mir irgendwie auf einen Nachbau hinzuweisen.
Hat jemand tiefergehende Erkenntnisse zu dem Thema?
Hersteller?
Land?
???
Danke schon mal für Euren Antworten,
LG
HH
fritze67
Hat da jemand beim "Nachempfinden" die Beschriftung mit einem Zahnarztspiegel abgelesen?
Ronald
HolgerHa
vielleicht?
Oder sie wurden im Auftrag von HauptAbteilungNachbau(=HAN) gestempelt und konnten so die Embargolisten ausbremsen?
Ich hoffe ja noch immer, dass da irgendjemand Genaueres weiss...
Gruss
HH
fritze67
Embargoliste ist ein gutes Stichwort! Wir bekamen in den 80ern einen IBM XT-286, AT-PCs war da noch auf besagter Liste
Ronald
HolgerHa
Hallo Fritze,
interessanter Pfad - trotzdem, es geht um Transistoren
LG
HH
Matthias
Hallo,
der RK5 hatte als erstes HiFi Radie Ende der 60iger Jahre viel aufsehen in der DDR erregt. Auch über die Hersteller der Transistoren in den Endstufen wurde viel diskutiert. Es ging das Gerücht um, dass es sich um japanische Transistoren handeln sollte. Damals gab es ja, verglichen mit heute, eine wesentlich größere Anzahl von Herstellern und viele hatten ihr eigenes Bezeichnungssystem. Derartige Bezeichnungen wirkten damals nicht so ungewöhnlich wie heute.
Hat aber schon mal jemand tatsächlich Transistoren mit dieser Bezeichnung in den Endstufen gefunden? Ich halte es auch für sehr wahrscheinlich, das hier "Kunstbezeichnungen" verwendet wurden. Verbaut bzw als Ersatzteil geliefert wurde, was gerade durch ein "Embargoloch" in die DDR gelangte.
Laut Serviceanleitung waren die Endstufentransistoren BDY53 (wie in einem Teil der TRX2010 bzw. TRX300 für Bruns) laut Stromlaufplan HDY35.
Als Anfang der 70iger Jahre entsprechende Transistoren im RGW verfügbar wurden (meist als Lizenztypen aus Polen, Ungarn, CSSR) tauchten deren Typenbezeichnungen in den Stromlaufplänen auf.
Tschüss,
Matthias
HolgerHa
Hallo Matthias,
ja, es hat schon jemand diese Transistoren gefunden - darum ja meine Frage hier im Forum
Aber: Such mal mit Tante Google nach HDY35 oder HAN 807...
Auch unter HAN 4092 wirst Du nichts brauchbares finden.
Die Fotos zeigen aber, dass es solche Teile tatsächlich gab.
In einem Schaltplan vom rk5 (1972) finden sich diese Typen ebenfalls.
Die Vermutung, dass das "H" am Anfang der Bezeichnung etwas mit HELI zu tun hat, ist nicht sehr plausibel, da sich im Wobbelgenerator WG4 auch solche Exoten finden.
Der WG4 wurde definitiv nicht bei HELI gebaut.
Wäre schön, wenn sich dieses Rätsel doch noch irgendwie lüften liese.
Gruss
HH
PS
Bilder von links nach rechts: Endstufe-Treiber HAN4092 - Endtransistor HDY35 - HAN807 aus WG4
Steffen
Hallo Hartmut,
ich habe nur eine unscharfe Vergrößerung aus einem Foto eines Reparaturgerätes anfertigen können, hier ist aber auch der HDY 35 drinnen, der andere Kanal hatte
Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Im Schaltplan der Serviceanleitung ist gar der 2N3055 eingetragen, in der Spezifikationsliste dagegen der BDY 53, was wiederum -oh Zufall- ein "H" statt dem "B" und umgekehrte Schreibweise ist, HDY 35 vs. BDY 53.
Da ja immer irgendwelche Embargolisten umgangen werden mußten oder die Bauelemente auf dunklen Kanälen aus dem NSW kamen, könnte ich mir hier eine Typisierung vorstellen, die entweder militärischen Ursprungs war oder gar "Phantasiebezeichnungen", damit die betreffenden Bauelemente eben NICHT auf irgendwelchen Listen standen. Oder es waren schlicht irgendwelche Nachbauten, es gab ja damals in Japan etliche Halbleiterhersteller, die einfach irgendetwas kopiert haben.
Steffen
HolgerHa
Hallo zusammen,
Danke für die Rückmeldungen - mit vereintem Detektivgeist werden wir vielleicht doch noch den tatsächliche Zusammenhang aufklären ...
Die Grundregeln scheinen zu sein:
1. Ersetze den ersten Buchstaben des Originaltyps durch ein H (damit sind Verwechslungen ausgeschlossen - ich habe bisher keine anderen Halbleiter gefunden, die ein H als Präfix haben)
2. lies die Ziffernfolge mit dem Zahnarztspiegel (schönes Bild, Danke an fritze67

)
3. sieh zu, ob sich noch en paar Buchstaben "retten" lassen (BDY -> HDY)
Die Frage bleibt offen: Wer hat gefertigt / gestempelt / geliefert?
Die ursprünglichen Hersteller - wissentlich, um Embargos zu umgehen?
Irgendwelche "Second Sources" in Taiwan, Japan, RGW ?
Neugierige Grüsse
HH
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bekannt sind bisher:
2N2904 -> HAN4092
2N2193 -> HAN3912
2N708 -> HAN807
BDY53 -> HAN35
BF180 -> HF081
Matthias
Hallo Hartmut,
deine Fotos haben meinen Ehrgeiz angeregt. Die Daten aus den 60iger Jahren sind später nicht alle in das Internet gelangt. Ich habe mir deshalb meine alte dicke Transistorvergleichsliste 73 der AMATERSKE RADIO aus der CSSR hervorgekramt. Transitortypen mit H am Anfang der Typenbezeichnung wurden von HITACHI (Japan) und Hughes Aircraft Co (USA) gefertigt. Die gesuchten Typen sind aber leider nicht in der Liste aufgeführt.
HITACHI könnte ich mir aber als möglichen Lieferanten vorstellen. Japan war damals noch eine aufstrebende Wirtschaftsmacht, die noch Spielraum im kalten Krieg hatte und mit der DDR Handel betrieb. Der US Flugzeugbauer scheidet definitiv aus.
Tschüss,
Matthias
HolgerHa
Hallo Matthias,
ja das war ein tolles Teil - die Vergleichliste, hatte ich auch oft und gern im Gebrauch
Die Ziffernfolge sollte doch sicher die Brücke zum Originaltyp bilden; die Daten waren vermutlich sogar völlig identisch - so konnte man nach Original-Daten dimensionieren, ev. sogar komplette Schaltungen übernehmen. (Das kam häufiger vor als man allgemein annimmt...)
Die Embargoliste blieb aussen vor - der Rest funktioniert wie gehabt - das ergibt einen plausiblen Grund.
Als Hersteller kämen dann eigentlich nur solche in Frage, die auch die Originaltypen im Programm hatten.
Vielleicht war das auch Hitachi - ich weiß nicht, ob die auch BDY53 (z.Bsp.) gebaut haben, die man dann umstempeln konnte.
Aber - wer war nun der Hersteller?
Bisher raten wir ja nur herum - ich hoffe immer noch, daß sich jemand findet, der Genaueres weiss...
Da die Teile in verschiedenen Geräten von verschiedenen Herstellern auftauchen, kann das doch nicht so geheim geblieben sein? Oder doch?
Mit immer neugierigerem Gruss
HH
fritze67
Wenn da mal nicht die KoKo eines gewissen Herrn Schalck-Go.... die Hände drin hatte. Dann war es geheim!
Ronald
HolgerHa
Hallo zusammen,
ich hab nochmal geforscht und denke nun, daß es eine gute Erklärung gibt.
Also die Gebrüder Schalk & CoCo müssen nicht unbedingt mit im Spiel gewesen sein - Import war es aber sicher.
Embargo war der Grund für die verdrehten Zahlen - welcher Zöllner liest denn schon seine Listen mit dem Zahnarztspiegel?
Und der eigentliche Hersteller war nach gut unterrichteter Quelle SESCOSEM, Frankreich.
Das passt sowohl von Produktspektrum (BDY53 kam von daher, 2N-Typen machten eh viele Hersteller) wie auch von der damaligen politischen Lage - hatten doch die Franzmänner gerade Zoff mit der Nato und sich darum ein wenig in Richtung Osten ausbalanciert.
In diesem Sinne - ein etwas weniger neugieriger
HH
Matthias
Hallo,
wollte gerade das Ergebnis meiner weiteren Recherche mitteilen, da war Hartmut schneller (Kann mir denken, wer seine Quelle war). Bleibt also nur, Hartmuts Ergebnis zu bestätigen.
Ich hatte Anfang Januar ein RK5 der ersten Serien aus erster Hand erhalten und habe es am diesem Wochenende mal geöffnet. Es waren die besagten Transistoren eingebaut. Mir fiel auf, dass die Qualität des Gehäuses und der Bedruckung weit über der östlicher Produkte aber auch der meisten westlichen Transistoren dieser Zeit lag. Zwei der drei Transistortypen trugen neben der eigenwilligen Typenbezeichnung noch ein Firmenlogo (Dreieck von einem Kreis umschlossen), das mir irgendwie bekannt vorkam. Eine Recherche im Internet ergab, dieses Logo gehört Thomson-CSF.
Die Datenblätter im Internet zum BDY53 aus den 70iger Jahren sind alle von Thomson-CSF, die schon genannte CSSR-Vergleichsliste nennt als Hersteller nur Sescosem. Sescosem war die Halbleitersparte von Thomson und wurde später in Thomson-CSF umbenannt. Passt doch irgendwie alles zusammen, offenbar war diese Firma damals alleiniger Hersteller dieses Types.
Auf den Fotos die von Holger eingestellt wurden ist besagtes Logo nicht zu sehen (auch nicht beim HDY35), auf dem Foto von Steffen ist es aber drauf, wenn auch sehr schlecht zu erkennen. Offenbar gab es diese Transistoren mit und ohne Firmenlogo. Bleibt also die Frage, ob man erst vorsichtig war (veränderte Typenbezeichnung, kein Logo) und später mutiger wurde oder umgekehrt.
Tschüss,
Matthias
minimaxx
Hallo,
darf icn noch einen kleine Beitrag zu Verwirrung schreiben?
Ich habe meinen RK5 untersucht und die ungewöhnlichen Transen gefunden. Leider lassen sie sich wegen des verchromten Gehäuses sehr schlecht ablichten. Seht selbst.
Über die Typenbezeichnung ist ein Stempel MB gedruckt. Logo und genaue Bezeichnung ist so nicht zu erkennen. Diente das auch zur 'Verschleierung' der Herkunft oder was hat das zu bedeuten?
Gruß
Peter
Matthias
Hallo Peter,
sieht ja aus wie ein "neutralisiertes" Westgerät!
Sind alle vier Endstufentransen so geschwärzt oder hat sich hier bloß der TKO-Mann einen Scherz erlaubt.
Tschüss,
Matthias
minimaxx
Hallo Matthias,
wie jetzt 'neutralisiertes Westgerät'?
Es sind alle 4 Transen so bedruckt. Der RK hat eine schwarze Skala und auf der Frontblende steht Heliradio HiFi STEREO. (Siehe auch
Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar)
Andere Auffälligkeiten konnte ich nicht feststellen. Direkt danach gesucht habe ich aber nicht.
Gruß
Peter
Matthias
Hallo Peter,
ist vielleicht off topic.
Früher wurden Geräte, die am Embargo vorbei (heute würde man sagen von Schalk & Co) aus dem Westen beschafft wurden, neutralisiert, bevor sie in gewöhnliche (uneingeweihte) Hände gelangten, um Herkunft oder Beschaffung zu verdunkeln. Es war üblich, Typenschilder bis hin zu den Bedruckungen der Schaltkreise der Leiterplatten zu schwärzen.
Wir hatten damals mal einen westlichen Servicetechniker im Haus (auf welchen Wegen der in die DDR kam, möchte ich nicht wissen), der fand sich nach diesen Maßnahmen in seinem eigenen Geräten nicht mehr zurecht.
Tschüss,
Matthias
Gertl
und ich dachte die haben den Servicetechniker auch geschwärzt
LG
Gertl
HolgerHa
Hallo allerseits,
Danke für die umfangreichen Details, die da nun doch noch zusammengekommen sind.
(Manchmal ist es tatsächlich interessanter, Detektiv zu spielen als die Kisten zu beschaffen und zu pflegen...).
Man stelle sich vor, welcher Aufwand getrieben wurde:
Erst wurde ein Embargo errichtet, dann wurde es mit einigem Aufwand umgangen - und das Ganze wegen ein paar Rundfunkgeräten.
Im militärischen Bereich - wo also ein Embargo eventuell noch Sinn gehabt hätte - hat man Originaltypen verbaut (das weiß ich aus eigener Anschauung).
2N3600, 2N708, 2N1613, BUY13 usw. um nur einige zu nennen - alle mit originaler Bezeichnung und Firmenstempel ...
Das nur noch am Rande, ganz ohne politische Hintergedanken.
Gruss
HH