Tücken der ECL86

kampfruderer
Bei einem Kumpel haben wir ein Saba Lindau 12 gemeinsam zu Ende repariert. Da hat uns eine ECL86 gehörig geärgert.

Die brachte immer nach ein paar Minuten Betrieb den Sender zum leiser werden und gleichzeitig weglaufen. Grund: positiver Gitterstrom nach einigen Minuten und durch den ansteigenden Anodenstrom brach die Betriebsspannung kraß ein. Eine gebrauchte Röhre aus seinem Bestand machte an gleicher Stelle den gleichen Mist und er meint, er hatte schon öfter Scherereien mit ECL86. Deshalb hat Saba wohl auch eine 50mA-Sicherung im Anodenkreis der Röhre spendiert: man wollte keine abgerauchten Ausgangstrafos riskieren.

Danach kam die Neugier: Findet man das auch auf dem Röhrenprüfer?
Antwort: Ja, aber nur mit Geduld.
Die Taste "Vakuum" schaltet 1MegOhm in die g1-Leitung.
Nach einigen Minuten Betrieb der Endpentode im Arbeitspunkt stieg der Anodenstrom bei gedrückter "Vakuum"-Taste um ca. Faktor 2,5

Daraufhin habe ich meinen Bestand selektiert und auch eine Röhre mit der beschriebenen Macke aussortiert. Also aufpassen. Es scheint hauptsächlich ein Problem der "siemens" (gelabelten) Röhren zu sein. Also Vorsicht ...

Gruß
Christian
RPF
das beschriebene Problem kenne ich auch von der UCL, PCL und ECL82 /86, aus RFT Rundfunk und Fernsehgeräten. Durch Verringerung des G1 Ableitwiderstandes von 1 M Ohm auf 470 K Ohm und des Einbau eines 1000V Kondensator zur Anode des C-Systems halten die Röhren länger.
Bei zu geringer Immission der Katode wird das G1 der Pentode positiv durch Ionen, die aus der Anode austreten, aufgeladen und es kommt zum lawinenartigen Anstieg des Anodenstrom. Auch wenn die alten Papier Kondensatoren noch als gut ausgemessen werden, raus!, auch die Kondensatoren, in SABA usw. aus 50 Jahre alten West-Geräten, sind hinüber.

Rolf
holm
Naja Rolf...Ionen aus der Anode? Eher nicht.

Das Problem ist thermische Gitteremmission durch auf das Steuergitter aufgedampftes/verspratztes Kathodenmaterial. Da sind etliche Röhrentypen anfällig, u.A. auch die Polamp/Telam Röhren aus Polen die massenweise in DDR Glotzen zum Einsatz kamen. Kurt Schenk hat mal eine dieser Röhren geschlachtet und fotografiert, die Polen haben eigentlich schon Alles dafür getan was sich so machen läßt, nämlich das Gitter vergoldet (und Schirmgitter geschwärzt) und Kühlflüge an die Gitter angeschweißt, nichts desto Trotz waren die Lampen nicht sehr zuverlässig.

Man müßte mal forschen ob sich die Gitteremmission nach der alten Anleitung bei diesen Röhren beseitigen läßt:

(nach Pabst: Anleitung zur Fehlersuche für Rundfunkmechaniker)

"Man legt eine von 0 an regelbare, positive Gleichspannung an das Gitter (Minus an Kathode) der normal geheizten Röhre und steigert diese langsam. Bei einer Spannung zwischen 50 und 100 V sieht man in der Röhre ein grünliches Aufleuchten, das bei weiterem langsamen Steigern der Spannung verschwindet.
Damit ist das Katodenmaterial - der Bariumniederschlag - von den Gitterwindungen verdampft, und die Röhre arbeitet wieder unter normalen Bedingungen."

ECL86 sind beschissen zu bekommen...kaputt war die Röhre schon vorher..so what...

Gruß,
Holm
RPF
Holm, warum ich auf Ionen komme, habe den Vorgang mehrfach an Pentoden, auch verbrauchten EL84 und EL34, gemessen, nach dem die Anode bei diesen Röhren langsam "rote Backen" bekommen kannst du am G1 eine positive Spannung zur Kathode messen, mit halbautomatischer Gitterspannung über Katoden Widerstand.
Wo soll die positive Ladung am G1 herkommen? nur das G2 und die Anode haben ein positives Potential, und das G1 wird erst mit glühender Anode positiv.
An den Röhren 6L6, EL12N und EL81 konnte ich keine positive Gitterspannung am G1 messen, das G1 bekommt auch bei glühender Anode eine negative Ladung durch die negativen Elektronen.
Die 6L6 und EL12N ist sicher durch die Konstruktion des "G2" gegen diesen Effekt geschützt.

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Die EL81 wird in der NF-Schaltung niederohmig mit fester Gitterspannung betrieben und hat die schönen Keramik Platten an der Anode.
In den Kölleda Verstärkern mit zwei EL34 und fester Gitterspannung hatten die EL34 eine wesentlich höhere Lebenserwartung als bei den Reissmann Verstärkern mit Katodenwiderstand
Sicher hat die Qualität der Röhre und ein überhitztes G1 an den Röhren auch einen Einfluss aber kann das zu so einem schnellen Anstieg des Anodenstrom führen?

Rolf
holm
Röhren mit Kathodenwiderstand arbeiten mindestens im AB Betrieb, in den Kölleda Verstärkern ist es aber B Betrieb, also deutlich geringere Belastung.

Woher die positive Spannung am G1 kommt? Ganz einfach: Wenn auf dem Gitter Kathodenmaterial landet, durch Regenerierung oder durch absputtern, dann fängt das Gitter an zu emittieren wenn es heiß wird.
Es liegt ja am Gitter eine negativere Spannung als an der Kathode gegenüber der Anode an und näher dran ist es auch. Wenn das passiert fließt ein Strom vom Gitter1 Richtung Anode, der wiederum führt dazu das das Gitter noch heißer wird und noch mehr emittiert..die Röhre geht durch und die Spanung am Gitter wird positiv, weil über dem Gitterableitwiderstand eine Spannung abfällt. Dieses Phänomen ist als "thermische Gitteremission" seit ca. 90 Jahren bekannt Rolf. Minimieren kann man das durch Kühlung des Gitters (Gitterkühlflügel) sowie mit Goldbeschichtung.

In Vakuumröhren gibt es einen Elektronenstrom und keinen Ionenstrom, sonst würde eine Gleichrichterröhre auch rückwärts leiten. Ionenstrom gibts nur in Gas gefüllten Röhren.

Gruß,
Holm
kampfruderer
Hallo Holm,

spannender Beitrag mit der Regenerierungsmöglichkeit. Der fällt mir bei der nächsten Röhre mit diesem Fehler hoffentlich noch ein.... (mit den letztens getesteten Explaren kann ich nix mehr machen, die hat das orangene Lastauto schon mitgenommen)

Gruß
Christian
RPF
das ist in der Tat ein interessantes Sachgebiet, Holm du hast schon Recht mit der thermischen Gitter Emission, aber neben ihr gibt es auch den Ionen Strom und den Isolationsstrom der von der Alterung und Qualität der Röhre abhängig ist. Das Vakuum in einer Elektronen Röhre ist nun mal ein Kompromiss zwischen notwendig und technisch möglich und wird im Röhrenprüfer wenn die Röhre nicht völlig Luft gezogen hat noch als gut bewertet. Das Gleiche trifft auf die Isolationsprüfung zu.
Diese beiden Ströme kann man mit Regenerierung nicht verringern im Gegensatz zur Gitter Emission.
Meine Regenerierungsversuche von Röhren waren in der Regel von kurzem Erfolg bei Leistungs Pentoden aller Art habe ich das schnell aufgegeben. Regenerierung von AF7/3, AK,AC und AH Röhren geht das aber erstaunlich gut und langlebig.

Kölleda und Reissman Verstärker habe ich natürlich die AB Verstärker verglichen und die Reissmann schnell auf feste Gitterspannung umgebaut, die zwei 6,3V Heizungswicklungen auf dem Trafo für die Kondensator Mikrofone bieten sich da einfach an und die Reissmann Mikrofone hat keiner in der Disko verwendet.

Rolf
Goofi
Mir ist bei einigen Röhren auf dem RPG (Bittorf) aufgefallen, dass diese nach dem Aufwärmen zunächst um die 90 oder 95% anzeigen und dass der Anodenstrom nach einigen Minuten so stark ansteigt, dass mitunter das Instrument rechts anschlägt.

Ist das besagter Effekt (von dem ich im Pabst einschl. der Regenerationsmöglichkeit schon gelesen hatte)? verwirrt

Wenn ich mich richtig erinnere ist dieser bevorzugt bei Pentoden (F, L und Verbundröhren) aufgetreten.

VG René
kampfruderer
Hallo Ren#e,

das ist mir auch schon aufgefallen (RPG70, Einstellung nach Prüfkarte). Manche Röhre, die auf dem ersten Blick schwachen Strom liefert, lohnt es sich, einige Minuten zu betreiben. Oft steigt der Strom dann wieder Richtung "gut", es kommt wieder "Leben" rein.

Was diese Röhren an Vorgeschichte hatten, weiß ich allerdings nicht. Abgegurkte EC92, ECC85, ECH81 aus Radios, die jahrelang im Hintergrund dudeln mußten, werden dabei auf jeden Fall auch nicht mehr besser.

Gruß
Christian
holm
Zitat:
Original von Goofi
Mir ist bei einigen Röhren auf dem RPG (Bittorf) aufgefallen, dass diese nach dem Aufwärmen zunächst um die 90 oder 95% anzeigen und dass der Anodenstrom nach einigen Minuten so stark ansteigt, dass mitunter das Instrument rechts anschlägt.

Ist das besagter Effekt (von dem ich im Pabst einschl. der Regenerationsmöglichkeit schon gelesen hatte)? verwirrt

Wenn ich mich richtig erinnere ist dieser bevorzugt bei Pentoden (F, L und Verbundröhren) aufgetreten.

VG René


Goofi das liegt daran, das die Röhren nicht in ihrem üblichen Arbeitspunkt gemessen werden, sondern in einem mit den Röhrenherstellern abgesprochenen und durch Massentests ermittelten Test-Arbeitspunkt, der die Emissionsfähigkeit der Kathode ermitteln soll. Der Kathodenstrom ist dabei bereits so hoch, das taube Schichten auf der Kathodenoberfläche durchbrochen werden und ein Regenerierungseffekt eintritt.
In diesem Testbetrieb bei vorgesehenen Meßparametern ist es auch problemlos möglich die Anodenbleche einer ECC82 zum Glühen zu bringen wenn man die mal ne Stunde da drin stecken läßt...
Auf die Dauer ist das nicht das Gelbe vom Ei.

Mit der Beseitigung der Gitteremission hat das eher weniger zu tun, Du heizt hier durch den Anodenstrom die Kathode zusätzlich auf, was mehr Emission verursacht. Der hohe Strom reißt Löcher in die verbrauchten Schichten. Bildröhrenregeneriergeräte machen das ganz ähnlich (Weneltzylinder als Anode, überheizen und ordentlich Strom ziehen).

@Rolf: Regenerieren von Endröhren kann man meist vergessen, deren Kathoden sind "hochstromfähig" und nicht so leicht zu beeindrucken wenn sie verbraucht sind. Man muß wirklich die Kathodenoberfläche "aufreißen". Wie Du schon beobachtet hast, sind da Vorstufenröhren deren Kathoden wegen wenig Strom taub geworden sind besser dran. Taube ECC81 und ECC82 kommen auf dem Röhrenrprüfer meist von selbst wieder..und gehen dann auch eine Weile mit besserer Leistung, manche fangen aber auch an zu rauschen oder haben irgendwelche Spratzeleffekte..kann man dann lassen, kaputt war die Lampe schon vorher.

Die Messung auf dem Röhrenprüfer ist aber auch so eine Sache..es ist schlicht nicht relevant ob eine Röhre 60% oder 110% anzeigt, die wird sowieso nicht bei diesen Strömen betrieben. Andere Parameter wie z.B. die verbliebene Steilheit im Arbeitspunkt sind da wichtiger, die kann aber auch kein RPG70 messen, dazu braucht man einen Prüfer der im Arbeitspunkt mißt, wie z.B. L1-3, L3-3 oder die großen Neuberger. Selbst diese kriegen aber nicht heraus ob eine Röhre mikrofonisch ist oder ob sie rauscht.
Es macht sich bei Ebay aber immer besser einen im rechten Feld liegenden Zeiger zu fotografieren, aber da geht immer was. Ich mache mit jeder stocktauben Röhre ein entsprechendes Foto wenn es sein muß, also nicht überbewerten..

Im Endeffekt entscheidet immer die Funktion im vorgesehenen Gerät ob die Röhre funktioniert oder nicht.



Gruß,
Holm
Goofi
Nabend Holm,

Zitat:
Original von holm
Es macht sich bei Ebay aber immer besser einen im rechten Feld liegenden Zeiger zu fotografieren


das ist nun wahrlich keine Kunst, zumindest nicht am Bittorf. Einfach mit Ia- und %-Schiebeschalter spielen, fertsch.

Wer allerdings solchen Betrug nötig hat, dem ist nicht mehr zu helfen... geschockt

Die sind auf einem Level mit dubiosen Autohändlern, die am Tacho drehen etc..

VG René
holm
Zitat:
Original von Goofi
Nabend Holm,

Zitat:
Original von holm
Es macht sich bei Ebay aber immer besser einen im rechten Feld liegenden Zeiger zu fotografieren


das ist nun wahrlich keine Kunst, zumindest nicht am Bittorf. Einfach mit Ia- und %-Schiebeschalter spielen, fertsch.


Jaja, nur sieht man dann ja die Einstellungen :-)
Nee, überheize die Röhre beispielsweise, schalte zurück, Du hast dann ein paar Sekunden Zeit fürs Foto...

Zitat:

Wer allerdings solchen Betrug nötig hat, dem ist nicht mehr zu helfen... geschockt

Die sind auf einem Level mit dubiosen Autohändlern, die am Tacho drehen etc..

VG René


Freilich. Wie Du evtl. weißt habe ich ein paar Jahre gebrauchte Röhren über Ebay geschoben (military-tubes.com) aber ehrlich. Alles was unter 70% lag kam wie bei Aschenputtel in meine personengebundene Kiste ..siehe oben zur Interpretation der Meßwerte..

Ich habe immer noch gut Tausend "nicht so gängige" Röhentypen da, oft Nato Zeugs, über deren finalen Verbleib ich mir noch Gedanken machen muß. Das Zeug kann man nicht wirtschaftlich verkaufen wenn nicht ECC8x oder EL34 dran steht aber zum Wegwerfen ist es doch definitiv zu schade. Fast Alles davon sind gezupfte Militärröhren...

Ich habe damals Jan Wüsten ziemlich heftig seine völlig überdrehten Preise versaut. Er wird nicht gut auf mich zu sprechen sein.

Gruß,
Holm